Klassiker: Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt

PrintDas Universal-Logo in verpixelten 8-Bit, schranziger Indierock der das Prädikat „exzellent“ noch nicht wirklich verdient: Die Scott-Pilgrim-Verfilmung macht von Anfang an keinen Hehl um ihre Herkunft sowie ihre Ambitionen sich primär dem Werk verpflichtet zu fühlen und weniger dem Mainstreamgeschmack. Das ist lobenswert und besonders die Eröffnungssequenz bis zum Erscheinen des Filmtitels verdient das prädikat ‚mutig‘. Unbewusst schielt man zur Seite ob der eine oder andere nicht doch irritiert den Saal verlassen will…

Der Mittzwanziger Scott Pilgrim ist mit ‚Loser‘ noch nett umschrieben. Anstatt einfach nur ein Abziehbild eines 0815-Genre-Charakters zu sein, erlebt man bei Scott, dass er wahrhaftig ein Loser ist. Das ist am Anfang etwas ungewohnt (vielen Dank an Jahre des Standard-RomCom-Konsums…), gewinnt aber sehr schnell einen eigenständigen und sehr authentischen Charme. Schließlich kann kaum einer von uns behaupten nicht irgendwelche Beziehungsleichen im Keller zu haben. Gut, wenn man sich diesen nicht mehr stellen muss, aber was wenn doch?

Davon hat Scott zu Beginn noch keine Ahnung. Videospiele, Rumgammeln und die Proben mit der Band Sex-Bomb-Omb reichen aus um sein Leben zu füllen. Der engagierte Band-Leader und Sänger Stephen Stills, die misantrophe Kim Pines, der schüchterne Young Neil sowie Scotts schwuler Mitbewohner und sein quasi-Finanzierer Wallace Wells halten es trotz Scotts (Un)-Fähigkeiten mit ihm aus und stärken ihm im Zweifelsfall auch schon mal den Rücken, auch wenn sie das nicht immer zeigen. Echte Freunde eben…

Obwohl Scott mit der zweifelhaften Beziehung zu der Schülerin Knives Chau (nominiert für den Mitleidspreis als am stärksten geprügelter Sidekick) nach eigener Aussage sehr zufrieden ist, trifft er kurze Zeit später das Mädchen seiner Träume (im wahrsten Wortsinn; lohnt sich aber nicht zu erklären, da Hyperraumautobahnen in Deutschland nie zugelassen werden…). Ohne besondere Skrupel macht er sich an die mysteriöse Ramona Flowers heran, und schafft es tatsächlich, sie zu ersten Dates zu überreden. So weit so gut. Auch die erste Runde im örtlichen Battle of the Bands läuft gar nicht mal so übel.

Wäre da nicht dieser seltsame Typ, der auf einmal durch die Mauer bricht und Scott zu einem handfesten Duell herausfordert. Mitten auf der Bühne explodieren kurz darauf die Pixel und Scott weiß gar nicht was überhaupt los ist. Dass der Unbekannte einen Bollywood-Tanz bester Güte hinlegt, fliegen kann sowie über eine Schar fliegender Hipster-Chicks verfügt ist eigentlich nur noch eine Randnotiz wert. Viel wichtiger ist dass er mit Scott um Ramona kämpft. Hey! Er hat immerhin eine Mail vorausgeschickt um die Umstände zu klären…

Kurzum, will Scott wirklich mit Ramona zusammen sein, muss er erst mal ihre sieben Ex-Lover besiegen. Aber wer schon die Zelda-Rätsel ohne Cheatcodes löst, den schrecken ein paar Kämpfe nicht weiter.

Film Title: Scott Pilgrim vs. the World

Bryan Lee O’Malley hat mit seiner Comicfigur Scott Pilgrim, seiner zweiten Graphic Novel nach „Lost at Sea“, einer ganzen Generation von Videospielern ein detailliertes, satirisches und nostalgisches Denkmal gesetzt. Noch ehe die 6-Bändige Reihe vollendet war, entwickelte sich in der Comicszene (die traditionell eng mit der Szene der Videospieler verbandelt ist) ein regelrechter Hype um Scotts epischen Kampf gegen Ramonas Liga teuflischer Ex-Lover. Angefeuert wurde dies zusätzlich von der anstehenden Verfilmung. Mit Edgar Wright hat man sich einen Regisseur ins Boot geholt, der sich zum einen mit ‚Hott Fuzz‘ sowie ‚Shaun of the Dead‘ auch international einen Namen gemacht hat, aber auch schon mit seiner frühen Serie ‚Spaced‘ gezeigt hat, dass er eigentlich nur ein begeisterter Nerd ist.
Damit konnte man sicher sein, dass er den schwierigen Spagat meistern würde, die Comicreihe auf die große Leinwand zu bringen ohne den Geist der Reihe zu verändern, oder dass sich Nicht-Kenner der Vorlage irritiert abwenden würden.

Ein paar Opfer wollen dabei gebracht werden. Zwar sind die 6 Bücher nicht allzu umfangreich, dennoch wäre es zu ermüdend geworden jede Nebenhandlung auf die Leinwand zu bringen. Wright hat gut daran getan, sich primär auf Scott selbst zu konzentrieren und die Geschichten seiner Freunde vorerst auf das Nötigste zu kürzen. Scotts Entwicklung zwischen den Kämpfen bildet den roten Faden, der alles zusammenhält. Dass man für eine Beziehung wirklich arbeiten muss, besonders an sich, ist im gehobenen RomCom-Genre nicht neu, wird aber auch von Wright gekonnt gezeigt und bildet eine gute Abrundung zu den Kämpfen und den unzähligen Referenzen auf Filme, Spiele und Musik.

So sind es am Ende besonders Knives und Ramona, deren Geschichten am prägendsten sind für Scotts Entwicklung. Entsprechend kürzer treten müssen dafür natürlich die anderen Figuren. Über zu kurze Auftritte von Kim, Stephen und all den anderen kann man sich aber kaum beschweren. Es muss immerhin nicht jedes Mal ein über zweistündiger Film entstehen.

Und für den Fall, dass es wider Erwarten Fans der Vorlage gibt, die keines der früheren Wright-Werke kennen: Ja, er hat sich wirklich um eine gute Umsetzung bemüht. Ach, was sag ich, bemüht? Klar, bei der Menge an Figuren kann nicht jede Umsetzung glänzen. Aber selbst Kim, die im Trailer noch eher unscheinbar wirkte, stellt sich nicht als schlechteste Besetzung heraus. Und im Gegenzug erhält man einen hervorragend umgesetzten Stephen Stills, Wallace Wells wie er leibt und lebt sowie einen überzeugenden Michael Cera in der Titelrolle. Ein etwas unbekannteres Gesicht wäre wünschenswert gewesen, aber entsprechend der Vorlage macht er seinen Job sehr ordentlich. Mary Elizabeth Winstead schafft den schwierigen Part Ramonas interessant und geheimnisvoll, aber gleichzeitig als erfahren und verletzlich zugleich darzustellen.

Klar, die Songs sind mindestens so wichtig wie die Besetzung der Figuren. Godrich und Beck (letzterer verantwortlich für alle Sex-Bomb-Omb-Songs) haben ein kleines Kunststück geschafft, nicht nur jeder Band einen eigenen Stil zu geben, sondern auch die Entwicklung von Scotts Band selbst deutlich hörbar zu machen. Man kann über den einen oder anderen Song streiten, aber es gibt vermutlich nicht viele Soundtracks mit einer solch großen Zahl an starken einzelnen Songs. Natürlich sollte man dem Indie-Rock nicht ganz abgeneigt sein…

Metric’s ‚Black Sheep‘, welcher im Film der Band ‚The Clash at Demonhead‘ in die Seiten gelegt wird, ist natürlich nicht nur wegen dem fantastischen Auftritt von Envy Adams unser heimlicher Liebling. Nein, die 8-Bit Variante von ‚Treshold‘ ist auch ein ganz ganz heißer Tip.

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Der internationale Erfolg des Films blieb trotz meist guter bis sehr guter Kritiken überschaubar, während der Film in Deutschland sogar nur mit einer kriminell kleinen Zahl an Kopien in die Kinos kam. Das ist schade, da Wrights frühere Werke verdiente Erfolge feierten und auch sein aktueller Film The World’s End gerade ganz hoch im Kurs steht. Immerhin hat sich der Film bis heute, über 3 Jahre nach seiner Premiere, sowohl bei den Fans der Comicvorlage, als auch bei vielen Film-Fans selbst einen hohen Stellenwert erarbeitet. Regelmäßig gibt es sowohl in L.A. als auch London noch vereinzelte Sondervorführungen zu denen Wright, O’Malley oder Personen vom Cast erscheinen.

Und fürs Heimkino gibt’s die DVD inzwischen für ganz kleines Geld, ähnlich wie die BluRay oder für etwas mehr beide als Paket zusammen mit einer DigitalCopy.

  • Text Copyright 2010 , Alexander Lachwitz
  • Cover, Screenshots: Universal Pictures Germany GmbH

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