Kieler Blut – Grundkurs Mord

Kommen wir also zu den spekulativen Aspekten und verzichten ganz auf Objektivität…

Einer der offensichtlichsten Schwachpunkte ist der schon angesprochene Bruch zwischen den Figuren und den Hintergründen. Auch einige dynamische Panels wirken durch die detailierten Hintergründe rasch zu statisch. Umso überraschender kann sich die Lektüre der beiden Zusatzgeschichten Nachtschicht und besonders KVP – Unterwegs mit der Bundespolizei gestalten.

Anders als der restliche Band liegen diese Geschichten ’nur‘ als Bleistiftzeichnungen vor die daher auch nicht immer ganz ausgearbeitet wirken. Dennoch wirken beide in ihrer Dynamik und ihrem Tempo, besonders KVP – Unterwegs mit der Bundespolizei viel enthemmter, als wäre man vorher mit trägen 60-80kmh über die Autobahn gezuckelt, ehe man endlich den fünften Gang gefunden hat. Woran liegt das?
Die fehlende Farbe allein kann es nicht sein, zudem wäre dies auch bedauerlich da die Detailkollorationen von Vanessa Drossel zum besten gehören was man in der deutschen Comic-Nachwuchs-Szene finden kann. Eher liegt es an den sichtbaren Bleistiftstrichen die hier noch unbereinigt alles in Form bringen müssen. Sie sind gewiss nicht grob, dazu arbeitet die Zeichnerin schon lange zu sauber. Und doch ist der kleine Unterschied zwischen der Vorzeichnung und der Reinzeichnung hier wohl einer der größten Katalysatoren. Obwohl die Geschichte von KVP – Unterwegs mit der Bundespolizei eher schlicht ist, kann sie nur jedem empfohlen werden der auch nur eine ganz kleine Schwäche für rasante Auto-Action hat. Das Gespür für Tempo, gute Inszenierung der Fahrzeuge und lebendigen Panelaufbau kann man Vanessa Drossel keineswegs abstreiten.

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Die Crux muss also wohl irgendwo in den Schritten der Coloration und dem Tuschen liegen. Genauer möchte ich das aber nicht verorten, denn wie schon gesagt hat die Zeichnerin das absolute Recht nicht alles sofort zu beherrschen. Geben wir ihr also die Zeit und lassen uns überraschen was sie noch alles aus der von ihr eingeschlagenen Stilentwicklung herausholt.
Auch ein Masamune Shirow hat seine Meisterschaft erst nach langem und harten Üben errungen. Ich erwähne seinen Namen nicht nur weil er einer der wenigen mir bekannten Mangakünstler ist, sondern vor allem weil mich die detaillierten Fahrzeugvisualisierungen und Perspektiven die Vanessa Drossel nutzt, besonders in den ungetuschten Bleistiftvarianten sehr an eben diesen Zeichner erinnert haben, dessen bis zum Abwinken mit technischen Details vollgestopfter Stil wiederum stark von seinem Ingenieur-Studium beeinflusst war.

Obgleich mir persönlich die Brüche in der Dynamik immer wieder negativ auffallen und die Handlung für meinen Geschmack zu viele Vorabendklischees erfüllt, bin ich insgesamt doch fasziniert von dem was da passiert. Man spürt wie viel Energie und Durchhaltewillen hier reinfließt und gepaart mit der technischen Finesse, existiert hier sehr viel Potenzial das sich Seite für Seite mehr entfaltet. Und diesen Prozess zu beobachten, regelmäßige Leser werden meine Vorliebe dafür sicher schon bemerkt haben, macht am Ende doch mehr Spaß als ein durch und durch perfektes Werk zu genießen.

 


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