Manchmal soll etwas einfach nicht klappen. Über Jahre konnte man auf der Homepage von Bastian Baier alias Lapinot den aktuellen Entwicklungsstand seines neuen Comicprojekts beobachten. Doch irgendwann kam die Erkenntnis, dass es nicht so funktionierte wie man wollte. Die Handkante des Schicksals fiel der Schere des Neustarts zum Opfer und aus ihren Resten erhebt sich nun mit stolzer Alterswampe Mister Origami….
Um seine große Liebe zu beeindrucken und es all den Blödmännern auf der Schule zu zeigen, möchte der kleine dickliche Philipp Krautstengel unbedingt Karate lernen. Zwar hat Sensei Origami seit zehn Jahren niemanden mehr unterrichtet und die Kursgebühr ist ebenfalls jenseits von Philipps Taschengeld, aber seit wann halten einfache dramaturgische Mini-Etappen einen Helden vom erreichen seines Ziels ab? Richtig, niemals.
Kurzerhand wird regelmäßig trainiert und der alte Mann plaudert ungefragt über sein alles andere als unspektakuläres Leben, während Philipps unbeholfene Trainingsversuche sowie seine Hingabe an die Turtles und andere 90er-Serien den zeitlichen und kulturellen Rahmen bilden. Dabei werden alle Standard-Zutaten von klassischer -Action- und Kampfsportfilme herangezogen und rücksichtslos auf ihre Banaliät reduziert. Das ist stumpf und ehrlich zugleich und wird dadurch auf seltsame weise Respektvoll. Jedweder erzählerischer Zierrat wird auf das nötigste oder weniger reduziert und fast jeder sich anbahnende emotionaler Moment wird schon nach dem nächsten Komma so schnell zerlegt, dass der Leser aus dem zynischen Grinsen nicht so schnell herauskommt.
Nach dem preisgekrönten Schicksalsgnom dauerte es ganze sechs Jahre bis das nächste Buch von Bastian Baier und Robert Mühlich endlich das Licht der Welt erblickte. Aber was lange währt, wird endlich gut. Die Geschichte von Mister Origami trieft nur so vor Jugend-Anekdoten, für die man am besten selbst in den 80ern oder 90ern groß geworden sein muss. Wer nicht selbst damals Chuck Norris, den Turtles oder dem Trendsport schlechthin, Wrestling verfallen war (wir hatten nicht viel, aber wir hatten die ersten Privatsender… in Farbe!), wird dieses Buch nur kopfschüttelnd weglegen.
Tatsächlich ist der Fremdschämfaktor an vielen Stellen alles andere als gering, kommt aber mit einer mit einem kumpelhaften Charme daher, dem man viel verzeiht. Man war halt jung und ein williges Opfer des manipulierenden Medienkonsums, als so etwas wie eine Michael-Bay-Fassung der Turtles selbst Chuck Norris Alpträume bereitet hätte.
Erzählerisch und stilistisch geht alles Hand in Hand. Die großteils bewußt schnörkellose Erzählweise wird durch die schlicht wirkenden Bilder nicht unnötig zerfasert und es bleibt viel Platz um die kleinen bösen Details unterzubringen, die zum mehrmaligen Lesen animieren. Die digitale Coloration hat den üblichen kalten Beigeschmack, der diese Geschichte aber sehr gut erdet und womöglich sogar besser passt als ein handcolorierter Look, der zu viel Wärme transportieren könnte.
Insgesamt muss man natürlich den trocken-bösen Humor der Autoren mögen, auch wenn dieses Buch im Vergleich zu Bastian Baiers Schwarz, weiß, tot schon fast familientauglich daherkommt. Zusammen schaffen beide es zwischen der einfachen Handlung eine abgeklärte aber dennoch erwärmende Nostalgie zu transportieren. Man schwelgt in Erinnerungen und ist sich gleichzeitig bewusst wie kindisch und primitiv vieles davon war, aber so war man damals eben und das ändert nichts daran wie stark man durch all diese Medien geprägt wurde.
Im Grunde ist Mister Origami wie The Expendables, nur weniger rührselig und ohne die schlechten CGI-Effekte.
Nachtrag:
Für Sammler gibt es bei Kwimbi auch noch einige signierte Exemplare zum Standardpreis.
Bastian Baier & Robert Mühlich „Mister Origami“
Zwerchfell Verlag
108 Seiten
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Text Copyright 2015 Alexander Lachwitz
Cover, Artwork Copyright Bastian Baier & Robert Mühlich