Nach seinen Weimarer Flausen und Angst wendet sich Ulf Salzmann, besser bekannt als Flausen, neuen, persönlicheren Pfaden zu. Pillen, Rusz & Ratten versammelt mehrere Kurzgeschichten, von denen der Weimarer Webcomic-Blogger im letzten Jahr einige schon auf seiner Webseite präsentierte. Dabei bleibt er sich im Stil treu, schlägt aber einige Töne an die man in dieser Zusammenstellung bisher noch nicht von ihm kannte.
Obgleich der Weimarer Kulturkrizzler immer schon einen Hang zum etwas nachdenklichen und hintersinnigen hatte (was er aber auch immer wieder mal durch den ein oder anderen Schenkelklopfer konterkariert), hat man hier doch ein anderes Kaliber als das was man von ihm gewohnt ist. Wermut und Nostalgie tropfen aus den dicken Strichen als wären sie seit jeher nur dafür gezeichnet worden. Für den normalen Webcomic-Leser war dieser Stimmungswandel daher durchaus eine kleine Überraschung als die Kurzgeschichten letztes Jahr nach und nach Online gingen.
Erzählt wird von kindlichen Abenteuern im Wald, ersten vagen Kontakten mit dem Tod und den Unterschiedlichen Blicken auf die eigenen Großeltern sowie deren Leben, geprägt durch einen Weltkrieg und seine Folgen. Es sind keine überhöhten Dramen sondern vergleichsweise normale Geschichten wie man sie in fast jeder deutschen oder auch europäischen Familie heute noch finden kann. Die letzten Spuren des zweiten Weltkriegs sterben langsam aus und viele haben diese Schrecken nicht verdaut und daher nie erzählt was sie in dieser schrecklichen Zeit beschäftigte und berührte. Sie flüchteten sich in ihre Familie, überhöhten Stolz und andere emotionale Konstrukte die auf indirekte Weise ihren Frauen und Kindern schlußendlich doch etwas vom Krieg erzählten, wenn auch nur in Form des Schattens der diese Menschen befallen hatte.
Für alle die wie der Autor dieser Zeilen ohne Vorwarnung mitten in diese Strips geraten sind und erst mal etwas Abstand gewinnen mussten, ist der vorliegende kleine Sammelband die ideale Nachttischlektüre zum nachholen. Flausen verpackt seine Erinnerungen und die daran hängenden emotionalen Hochs und Tiefs in kleine Häppchen die . Diese Erinnerungen stellt er dabei meistens direkt in Bezug zu seinem jetzigen Ich. Damit verhindert er, dass die Geschichten mit kitschiger Nostalgie verkleben und gibt ihnen einen passenden sowie respektvollen Rahmen den die meisten ohne weiteres nachvollziehen können.
Flausen lässt einen an die eigenen Eltern und kindlichen Erlebnisse denken, die schönen wie traurigen Momente. Ohne zu direkt zu werden legt er einen Pfad der beide Seiten der Erinnerungen, die schmerzlichen wie angenehmen, verbinden kann; wenn man bereit ist sich auf diese ruhige nostalgische Reise einzulassen.
Ein schönes, trauriges und eben auch wahres Büchlein.
Ulf Salzmann „Pillen, Rusz & Ratten“
Verlag Schwarzer Turm
64 Seiten
ISBN: 3-934167-71-3
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Text Copyright 2015 Alexander Lachwitz
Cover, Artwork Copyright Ulf Salzmann