Comicsalon Erlangen 2/5 So viele Gesichter… und von Sinnen fassungslos

DSC_2933Am zweiten Tag war endlich Zeit für einen halbwegs vollständigen Rundgang bei dem man sich auch viele Stände (aber natürlich längst nicht alle) einmal in Ruhe ansehen und mit noch viel mehr Zeichnern (aber natürlich auch läääängst nicht allen) ein paar Worte tauschen konnte. Tja und am Ende gab’s n Premiumplatz bei der Max&Moritz-Preisverleihung. Dabei wollte ich doch eigentlich gar nicht hin. Hach ja…

Gut, dass es bei der Größe des Salons immer schon schwierig war sich möglichst viele Künstler UND Ausstellungen anzusehen ist keine Neuigkeit. Aber Kinners, ganz ehrlich?

Ich hab mich hoffnungslos verspekuliert! Ein Fass ohne Boden! Hier liegt schon gefühlt ein komplett neues Billy-Regal in Comicform! Delfinium-Prints, Buddelfisch, David Boller, Ghostmoney, A House Divided, Gert & Grendil um nur ein paar der Einkäufe zu nennen. Ein Indiekunstkommerzieller Amoklauf Sondergleichen. Welcher Irre lässt mich mit Geld auf so etwas los???
Ach richtig, das war ich ja selbst. Wenigstens hab ich mir auch die extradicke Anthologie „BIER – Alles über den Durst“ vom Volk Verlag geholt. Ich glaub die brauch ich jetzt.

Als angenehmen Nebeneffekt konnte ich aber neben vielen schon bekannten Gesichtern auch eine ganze Reihe neue kennenlernen. Von Mobidic und ihrem wunderbar koloriertem Bärenkönig (Popcom), über Katrin Felder mit Palm Beach Two (Buddelfisch) und Guido Neukamm vom Comicwerk, um nur ein paar zu nennen. Dabei zeigt sich dass die Szene weiterhin ausgesprochen vital ist. Gleichzeitig werden die Hürden und Ansprüche für Nachwuchszeichner aber trotz SocialMedia und viel einfacherer Verbreitung nicht immer niedriger. Neben dem Klinkenputzen bei den Verlagen muss man nun auch auf immer mehr sozialen Plattformen aktiv Werbung betreiben um sich eine eigene Community aufzubauen. Gewohnheitsmäßig fällt das manchen leichter als anderen und wie gehabt gibt es für diese Tätigkeit keine direkte Entlohnung. Es bleibt abzuwarten wann diese Spirale der immer höheren Aktivitätsanforderung endlich einmal durchbrochen wird.

Max & Moritz-Preisverleihung

Nach einem Ausklang im Biergarten gab es die Qual der Wahl für die Abendunterhaltung. Auf der einen Seite lockte der Max&Moritz-Preis nach Jahren endlich mit einer etwas frischeren Nominierungsliste, auf der anderen Seite stand die Bitstorm-Lesung/Battle. Letztere war mein Favorit, aber nach einigem hin und her ergatterte ich mithilfe der Kollegen von Comicgate zu meiner großen Überraschung noch einen hervorragenden Platz für die Max&Moritz-Preisverleihung. Sorry Bitstorm, dafür gehts morgen zu ReadingPanels. Versprochen!

Zu aller erst muss ich meine frühere Vorverurteilung von Hella von Sinnen als Co-Moderatorin zurücknehmen. Basierend auf früheren Eindrücken von ihr und einigem was man von den Preisverleihungen gehört hatte, habe ich mir ein Bild und Urteil gemacht, das offenbar ziemlich weit von der Realität entfernt war. Es gab und gibt sicher diverses am Max&Moritz-Preis zu kritisieren. Aber Hella von Sinnen gehört da nun wirklich nicht zu, auch wenn sie sich manchmal einen Fauxpas erlaubt.

Eine detaillierte Beurteilung kann ich mir kaum erlauben, da ich mich in den früheren Jahren nur rudimentär mit dem M&M-Preis beschäftig habe. Daher nur ein kurzer Abriss und für alle die sich stärker dafür interessieren, kann ich einen Blick in den Tagesspiegel empfehlen. Im Laufe des Tages wird dort hoffentlich erneut eine scharfzüngige Analyse von Oliver Ristau zu finden sein. Daher an dieser Stelle nur ein paar rasche Eindrücke.
Den Preis für den besten deutschen Comicstrip hat Katharina Greve (das Hochhaus) erhalten. Die ebenfalls nominierte Sarah Burrini und Mawil gehören zwar schon zur hohen Garde der (Web-)Comic-Szene, doch Katharina Greve hat mit ihrem Hochhaus tatsächlich eines der frischesten Formate der letzten Jahre geliefert und hat sich somit als Shooting-Star ihren Preis gesichert. Da kann man jetzt drüber diskutieren wie sehr seitens der Jury dahinter Kalkül steckt um frisch und modern zu wirken, aber selbst wenn dem so wäre ändert das nichts an Greves Qualifikation für den Preis. Also, Glückwunsch!

Tobi Dahmens Fahrradmod ist zwar leider leer ausgegangen, dafür hat er auf Bitten von Hella von Sinnen eine richtig flotte Sohle vorgeführt und könnte damit zweifellos in die Geschichte des Comicsalons eingehen. Stil hat dieser Bursche, mein lieber Schwan!

Schließlich gab es aber doch noch zwei Momente die zum Nachdenken anregten. Zum einen wäre das der Dankes-Comic vom ehemaligen Charlie Hebdo-Zeichner Luz, der aufgrund seiner permanent-Bewachung in Form von Polizeischutz leider nicht selbst den Spezialpreis der Jury entgegennehmen konnte. Unverfroren frech, aber auch ehrlich und gleichzeitig traurig wie lustig bedankt er sich für den Preis und geht von einem kurzen Abriss seiner Lebensphase nach den Anschlägen über zu einem bissigen Kommentar auf die sich immer stärker zuscharrende Flüchtlingsdebatte und den AFD-Aufschwung in Deutschland über.

Für Gesprächsstoff wird aber vor allem der Preis für den besten Kinder-Comic sorgen. Ausgezeichnet werden sollte „Kiste“ von Patrick Wirbeleit und Uwe Heidschötter. Beide waren zwar nicht anwesend, aber durch den Verleger ließ Wirbeleit einen Brief vorlesen in dem er sich für den Preis bedankte. Als Hella von Sinnen und Hauptmoderator Christian Wasser schon gratulieren wollten, ließ der vorlesende Verlagsvertreter die Bombe platzen. Solange herausragende Künstler wie beispielsweise Sascha Wüstefeld (das UpPgrade) weiterhin von der Jury ignoriert würden, könne er den Preis nicht annehmen.
Hella von Sinnen gab sich fassungslos, ging dann aber recht souverän weiter zum nächsten Preisträger. Hier und da konnte sie sich eine Spitze gegen die Verweigerung nicht verkneifen und fragte später unnötigerweise noch die junge Publikumspreisträgerin Mikiko Ponczek (Crash ’n‘ Burn) was sie denn davon halte. Dass ein Preis mit dem Namen einer Kindererzählung gerade im Bereich Kinder-Comic derart vorgeführt wird, wird den Verantwortlichen sicher wenig schmecken und legt den Finger gezielt in die ewig schwellende Wunde. Denn auch wenn gegenseitige Verlags-Zuschiebereien deutlich zurückgegangen sind, ganz runter vom selbst errichteten Anspruchs- und Wegweiser-Podest ist der Preis noch längst nicht.

Allerdings hat sich lediglich Patrick Wirbeleit dem Preis verweigert. Via Twitter bedankt sich Uwe Heidschötter herzlichst für die Verleihung und ist über die Ablehnung durch seinen Kollegen offenbar nicht informiert gewesen. Es heißt nun also abwarten ob es noch ein gemeinsames Statement der Preisträger/Verweigerer geben wird und ob sich die Max&Moritz-Jury selbst auch noch zu dem Vorfall äußern wird.
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Und damit war es das dann auch. Abgesehen vom Publikumspreis für Mikiko Ponczek (Crash ’n‘ Burn) hat man sich lediglich zur Nominierung von David Füleki („78 Tage auf der Strasse des Hasses“) durchringen können. Immerhin wurde auf eine abgrenzende Betonung der Manga-Kategorie verzichtet. Insgesamt machte die Jury den Eindruck, dass man sich schon bewegen wolle. Für mich war es definitiv ein unterhaltsamer Abend, aber beim nächsten Mal steht dann wirklich Bitstorm auf dem Programm. Versprochen!

Und wer noch mehr Tagesberichte lesen will, schaut doch mal bei Comicgate vorbei. Auch dort gibt es wieder ein sehr lesenswertes Salontagebuch.


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