Aua! Da wird einem doch mitten in der ungeplanten Blogpause ein Blogstöckchen an die Rübe geworfen. Herzlichen Dank an Magun bzw. Leander Taubner. Der feine Herr hat vor kurzem sein Magun-Rollenspiel bekanntgegeben (mehr dazu hoffentlich in Bälde) und wie es sich ergab, wurden ihm gleich zwei Stöckchen zum Thema Rollenspiel an den Kopf geworfen. Da er selbst nun nicht nur Spieler sondern auch Verleger, Autor und Illustrator in Personalunion ist, kann ich seine Antworten jedem passionierten Rollenspieler wärmstens empfehlen, geben sie doch einen seltenen und ehrlichen Einblick hinter die Kulissen und verraten auch einiges über die bittere finanzielle Wahrheit in diesem Markt.
Nun aber zu Leanders Fragen:
1 – Welches Setting oder welches Genre willst Du am allerwenigsten, wenn überhaupt in deiner Rollenspielkarriere spielen, und warum?
Vor 10 Jahren wäre mir diese Frage noch leicht gefallen, da ich damals sehr auf meine Stammsysteme eingeschworen war und wenig Interesse an alternativen Settings hatte. Inzwischen hat sich das sehr stark geändert und ich bin prinzipiell fast allem gegenüber sehr offen. Eher sind die Mitspieler für mich ein Kriterium, was für ein Setting ich mit jenen spielen will und welches nicht. Einige Gruppen eignen sich eher für lockeres Action/Gag-orientiertes Rollenspiel, während man mit anderen eher tiefsinnierges Erzählrollenspiel spielen kann, was beides seine Vor- und Nachteile hat. Ach ja und dann gibts da ja noch die Meta-Freunde, alias die Zahlenhexer, denen Settings egal sind, Hauptsache sie können die Regel bis zur letzten Nachkommastelle bestmöglich für ihren Charakter ausreizen….. Ähm ok zurück zur eigentlichen Frage:
Am geringsten reizt mich derzeit das klassische 80er/90er High-Fantasy-Setting wie es in den Ursprungszeiten von D&D definiert wurde. Das hat sich in meinen Augen inzwischen zu sehr überholt und wird von diversen PC-Rollenspielen weitaus unterhaltsamer abgedeckt. Beim Tischrollenspiel möchte ich das einmalige Geselligkeitsgefühl lieber für andere Settings ausnutzen.
2 – Würfelst du Würfel vor dem Kauf oder vor dem Spieleabend, um festzustellen welcher von ihnen mehr “Glück” gespeichert hat?
Unterschiedlich. Beim Kauf gehe ich inzwischen meist nur noch nach interessanter Optik oder guter Haptik. Der obligatorische Glückstest-Wurf wird eigentlich nur noch fällig, wenn eine besonders kritische Probe ansteht, oder die Würfel mich schon den ganzen Abend über im Stich lassen. Erst dann prüfe ich ob ich von meinen Standard-Würfeln abweiche.
3 – Hast du angemessen viele Würfel oder einfach zu viele? (Oder zu wenige … als ob.)
Vor Jahren habe ich mir einen Würfelbeutel geschneidert, der zuerst zu groß erschien. Immerhin passt gefühlt ein halbes Schwein rein. Inzwischen ist er ordentlich gefüllt und ich kann so ziemlich alle Würfel in ausreichender Zahl vorweisen. Zu viele sind es daher nicht (Ok, W20 sind durch Jahrelangen DSA-Konsum leicht in der Überzahl…), aber ich kaufe nur noch selten neue.
4 – Spielst Du Kampfhandlungen eher mit gezeichneter Karte oder gar Figuren aus, oder nur mit Telling?
Früher hab ich alles über Telling abgehalten. Heute gehe ich oft einen Mittelweg und visualisiere wenigstens kritische Momente durch kleine Steinchen. Allerdings liebäugel ich mit dem einen oder anderen Kickstarter-Projekt für modulare Dungeons. Andererseits, wann spielt man noch Abenteuer in klassischen Dungeons?
5 – Ab wann wird die Vorgeschichte eines Charakters für Dich albern?
Ähm… wie soll ich sagen… ich brauche für einen DSA-Charakter 2-4 Wochen (je nach Zeit durch Arbeit & Alltag) in denen ich mich nicht nur mit den Riten und Werkzeugen seiner Profession, sondern auch der Geschichte seiner Herkunftsregion sowie den dortigen Bräuchen und der politischen Lage befasse. Dazu kommt dann noch die Arbeit an seinen sozialen Kontakten, besonders der Freund/Feind-Fraktion. Tja, die detailierten Hintergrundbücher von DSA müssen doch zu etwas gut sein, oder?
Bei Vampire aus der alten Welt liegt mein Rekord sogar bei einem halben Jahr, das ich brauchte um meine Gangrel-Runenpriesterin zu entwickeln und eine plausible Erklärung zu finden warum sie es anno 1200 von Sjealand bis runter nach Aachen verschlagen hat.
Ich glaube diese Frage kann ich nicht beantworten, da Spieler wie ich wohl der Grund für solche Fragen sind 😉
6 – Was ist die albernste Regel, die du je in einem Regelwerk gelesen hast?
Das Gesinnungs-System von D&D? Ok, seit ich Vampire spiele und mich an das dortige Weg-System gewöhnt und den Sinn verstanden habe, kann ich auch das D&D-Gesinnungs-System verstehen. Allerdings ist es für mich weiterhin eine Art den Gaul von hinten aufzuziehen. Warum ist ein Charakter Chaotisch-Gut? Wenn ich eine halbwegs plausible (und kurze 😉 ) Hintergrundgeschichte habe, halte ich so ein Gesinnungs-System für überflüssig und sogar zu abstrakt für gutes Rollenspiel. Aber nur meine Meinung 🙂
7 – Gab es eine Szene, wo Deine Rollenspielgruppe nicht mehr aus dem Lachen raus kam?
Wenn man mal den üblichen Slapstick außen vor lässt, war es wohl am Ende einer langen Spielrunde auf dem Conventus Leonis. Ein Hexenjäger/Elite-Leibwächter hatte die Aufgabe den Träger eines magischen Artefakts sicher an seinen Zielort zu eskortieren. Dass der Träger eine (ausgesprochen gut gespielte) Schelmin war, hat schon während des gesamten Abenteuers für viel Unterhaltung gesorgt und war eines der wenigen Erlebnisse bei denen Schelme gutes Rollenspiel nochmals forciert haben. Selbst als ein zweiter Schelm dazukam (es war spät nachts und es gab kaum noch Spielrunden wo der Arme Kerl unterkommen konnte, man ist ja nicht so), ist das Spiel weiterhin anspruchsvoll geblieben.
Für Uneingeweihte: Schelme sind von Kobolden aufgezogene und magisch begabte Menschen, die ihre Magie aber nie als reines Zweckwerkzeug benutzen dürfen. Schelme wollen Schabernack treiben und sind weder im Denken noch im Handeln Zielorientiert. Das klingt simpel, ist in den meisten Rollenspielrunden aber sehr schwer umzusetzen, weil man ja irgendwie vorankommen will und gerade magisch begabte Charakter oft als Universalhelfer dienen müssen. Hier war das aber nicht der Fall.
Ach und zur Frage warum gerade so ein Charakter ein wichtiges Artefakt bei sich trägt: Bei ihr hätte man es als letztes vermutet und sie war die einzige Person bei der man sicher sein konnte, dass sie nicht aus Selbstzweck mit dem Artefakt abhaut.
Kurz vor dem Ziel der Reise, hat sich aber die Schelmin davon gemacht und ist einer Spur in den nächsten verwunschenen Wald gefolgt, in dem sie von wenig erfreuten Elfen über die wahre Natur des Artefakts aufgeklärt wurde. Der Hexenjäger war indess fast am Durchdrehen und umso erfreuter, als die Schelmin endlich wieder auftauchte. Man war ja nur noch einen halben Tagesmarsch vom Zielort entfernt. Als die Schelmin dann aber offenbarte, dass man nun ein ganz anderes Ziel (viele Tagesmärsche) entfernt vor sich hatte und überdies nun einer verlorenen Elfenseele helfen müsse, war der gute Mann wirklich Reif fürs Noionitenkloster (aka Klapsmühle). Die ganze Gruppe brach am Tisch fast zusammen und gleichzeitig war es ein von allen Beteiligten mit viel Verve getragenes Ende eines langen Spieleabends den wir alle wohl nicht so schnell vergessen konnten.
Als Spielleiter hatte ich überraschend wenig zu tun, die Gruppe folgte selbstständig dem Hauptziel, brachte immer wieder konstruktives und vielschichtiges Charakterspiel ein ohne dass der Ton zu sehr in ernster Tragik oder reinem Slapstick abdriftete. Beim finalen Twist kam dann keiner mehr aus dem Lachen heraus, was vor allem am Spiel der Schelmin und des Hexenjägers lag, die beide ihre Rolle einfach fantastisch gespielt hatten.
8 – Wieviele Rollenspielsysteme hast du schon gespielt?
Insgesamt sind es knapp zehn Stück. Das mag nach viel klingen, ist aber über einen Zeitraum von gut 18 Jahren gespannt und viele Systeme habe ich nur kurz angespielt. Das Groß machen daher die üblichen Verdächtigen aus, die da wären DSA, Vampire aus der alten Welt sowie Shadowrun. Dazu kommt in letzter Zeit noch Warhammer 40k Deathwatch.
Daneben stehen noch acht bisher ungespielte Systeme hier im Schrank, von denen ich ganz besonders auf die FATE-Version des Cyberpunk-Settings „Zero Interface“, aber auch das Firefly-Rollenspiel steht hier schon seit Jahren ungespielt im Schrank *seufz*
9 – Spielerpärchen und/oder Charakterpärchen in einer Gruppe. Ja, Nein, Wieso?
Nur wenn nicht beides zusammenfällt. Mit beidem habe ich kein Problem und genau so viel positive wie negative Erfahrungen gemacht, wie auch mit einzelnen Spielern. Kritisch wurde es nur fast immer dann, wenn zwischen Charakteren ein ähnlich festes Band herrschte wie zwischen den Spielern die sie spielten. Das mussten nicht mal zwingend Pärchen sein, der Effekt war aber ähnlich. Es neigt oft zu einer der restlichen Gruppe gegenüber unfairen Zuschusterei zu, oder ein sich-in-die-Mitte drängen, was auf Dauer wirklich unangenehm wird. Glücklicherweise habe ich so etwas nur selten erlebt und bis auf eine Ausnahme, konnte die Gruppe das Thema dann auch offen besprechen und man hat versucht einen Kompromiss zu finden.
10 – Welches P&P oder Filmsetting würdest Du gerne mal als LARP umgesetzt sehen oder spielen?
Ganz klar Firefly. Diese Mischung aus Sci-Fi und Wildwest mit zig Abstufungen und dem Fokus auf den Charakteren lässt diese Serie weit vor allen anderen Sci-Fi-Serien für mich herausstechen und betont vieles was ich an guten Rollenspielrunden schätze. Zwar gibt es ein Regelwerk, aber von denen die es gespielt haben, wurde mir widerholt berichtet, dass die Regeln nicht sehr ausgegoren sind und es eine unpassend hohe Sterberate fördert. Aber es gibt ja genug Regelsysteme über die man ein Firefly-Setting drüberstülpen kann.
11 – Highfantasy, Glitzerpulver in die Augen, und in Stachelrüstung gegen den magischen Drachen – oder dreckig, erdig durch die versiffte Straße und Halsabschneider jagen?
Im Zweifel eher letzteres. Sowohl Highfantasy als auch Stachelrüstungen sind nicht gerade meine Lieblinge. Ganz ehrlich, hätte Neverwinter Nights andere Avatarbilder gehabt, ich hätte dieses Spiel wirklich gespielt, aber so war es mir einfach zu sehr Klischeehaft.
Und damit reiche ich das Stöckchen weiter, zum einen an die gute Zeitzeugin, als auch an den Schöpfer eines Pflicht-Comics für Rollenspieler. Die Rede ist von Gert & Grendil bzw. dem Kopf dahinter; Herr Bühling, hier ist Ihr Stöckchen!